Ethisches Urteilen im Geographieunterricht


Ethisches Urteilen – Stand der Forschung

Viele Themen des Geographieunterrichts, insbesondere Themen im Zusammenhang mit BNE und dem Globalen Lernen, zeichnen sich nicht nur durch ihre faktische, sondern auch durch ihre ethische Komplexität aus (Ohl, 2013, S. 5). Um dieser ethischen Komplexität im Geographieunterricht zu begegnen, hat sich die fachdidaktische Forschung lange Zeit mit der moralischen Urteilskompetenz beschäftigt, bei der die (moralische) Haltung der Lernenden im Zentrum der Betrachtung steht (Meyer & Felzmann, 2010). Erst in den letzten Jahren finden sich Beiträge, die die mit diesem Ansatz verbundene Orientierung an einer Werte-Ethik und den möglichen Relativismus, der bei einem so umgesetzten Unterricht vermittelt werden kann, kritisieren und stattdessen das Erfassen bzw. das Verstehen des ethischen Problems innerhalb eines geographischen Sachgegenstands fokussieren (Ulrich-Riedhammer, 2017). Ulrich-Riedhammer (2017) spricht sich für eine fragende Form des Verstehens ethischer Probleme aus, welche sie als „ethisches Urteilen im Geographieunterricht“ bezeichnet und als „Unterscheidung innerhalb ethischer Fragen“ (Ulrich-Riedhammer, 2017, S. 106) definiert.

Allerdings ist über die Schrittfolge zur Umsetzung eines solchen ethischen Urteilens im Geographieunterricht wenig bekannt, so dass es bislang kaum prototypische Unterrichtseinheiten für Lehrkräfte gibt (bislang nur Mehren & Ulrich-Riedhammer, 2021). Zwar gibt es in der Biologiedidaktik konkrete Schritte zur Implementierung des ethischen Urteilens in den Biologieunterricht (Hößle & Neele, 2014), allerdings wird in der Biologiedidaktik ethisches Urteilen eher als ein Urteilsprozess und weniger als ein Unterscheiden innerhalb ethischer Fragen verstanden.

Zielsetzung

Ziel des hier dargestellten Forschungsvorhabens ist die Entwicklung von Gestaltungskriterien zur Umsetzung eines solchen ethischen Urteilens im Geographieunterricht. Dazu müssen die Schritte des ethischen Urteilens bestimmt werden, um themenunabhängige Lehr-Lern-Umgebungen für GeographieschülerInnen der Oberstufe zu entwickeln und um die Leistungen der SchülerInnen mittels einer Diagnosematrix einordnen zu können

Methodik

Um die Schrittfolge und die prototypischen Lehr-Lern-Umgebungen zu entwickeln, bietet sich der Forschungsansatz des Desgin-Based Research (= DBR) an. Als methodologischer Rahmen gewährleistet DBR „die unmittelbare Verbindung von Unterrichtsentwicklung und -erforschung innerhalb eines zyklischen Forschungsdesgins“ (Hiller, 2017, S. 330). Dazu werden in mehreren Zyklen schriftliche Daten in einem Grundkurs der gymnasialen Oberstufe erhoben, um die Schrittfolge, eine darauf aufbauende Diagnosematrix und die Aufgabenformate mithilfe einer deduktiv-induktiven Kategorienbildung nach Mayring (2022) zu bestimmen und weiterzuentwickeln. Problemzentrierte Interviews (Flick, 2021) mit ausgewählten SchülerInnen ergänzen die Hinweise zur Wirksamkeit der Aufgabenformate und dienen damit der Weiterentwicklung der Aufgabenformate. Die Daten-Triangulation wird durch eine gemeinsame Interpretationswerkstatt von ForscherInnen zum ethischen Urteilen ergänzt.

Literatur

  • Flick, U. (2021). Qualitative Sozialforschung: Eine Einführung (10. Auflage, Originalausgabe). Rowohlt Taschenbuch Verlag.

  • Hiller, J. (2017). Die Unternehmensfallstudie als Unterrichtsmethode für den Geographieunterricht. Eine Design-Based-Research-Studie. Selbstverlag HGD.

  • Hößle, C., & Neele, A. (2014). Doping, Gentechnik, Zirkustiere. Bioethik in der Schule. Auris.

  • Mayring, P. (2022). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. (13., aktual. und überarb.) Beltz.

  • Mehren, R., & Ulrich-Riedhammer, E.-M. (2021). Kampf ums Ackerland. Faktische und ethische Komplexität im Kontext der Nachhaltigkeit. Praxis Geographie, 21, 20-25.

  • Meyer, C., & Felzmann, D. (2010). Ethische Urteilskompetenz im Geographieunterricht – theoretische Grundlagen für die Entwicklung eines Kompetenzmodells. Geographie und ihre Didaktik, 38, 125-132.

  • Ohl, U. (2013). Komplexität und Kontroversität. Herausforderungen des Geographieunterrichts mit hohem Bildungswert. Praxis Geographie, 42, 4-8.

  • Ulrich-Riedhammer, E.-M. (2017). Ethisches Urteilen im Geographieunterricht. Theoretische Reflexion und empirisch-rekonstruktive Unterrichtsbetrachtung zum Thema „Globalisierung“. Selbstverlag HGD.

Promotionsprojekt

Marcel Barth

Betreuung

Dirk Felzmann