Friederike Kuban

Theoretischer Hintergrund

Frühe mathematische Kompetenzen sind zentrale Prädiktoren für spätere schulische Mathematikleistungen (z.B. Grube et al., 2015). Darüber hinaus hat die gezielte Förderung mathematischer Kompetenzen im Elementarbereich positive Auswirkungen auf die Mathematikleistungen im Schulalter (Krajewski, Nieding & Schneider, 2008). Aufgrund dieser Befunde ist frühe (mathematische) Bildung heute fest in den Bildungsplänen etabliert und in der Politik und Praxis anerkannt (Wullschleger, 2017).

Ein wirkungsvoller Ansatz für die Förderung numerischer Kompetenzen im letzten Kindergartenjahr sind Spiele mit mathematischem Potenzial (z.B. Gasteiger, Obersteiner & Reiss, 2015). Als alltagsintegrierter Ansatz können Regelspiele mit mathematischem Potenzial für die breite Förderung aller Kinder eingesetzt werden (Schuler, 2013). Dabei stellt sich unter Berücksichtigung der in der Frühpädagogik vorherrschenden Annahme, dass frühkindliches Lernen begleitet werden muss (z.B. Krammer, 2017), die Frage, wie Kinder beim Spielen mathematischer Regelspiele optimal unterstützt werden können.

Es wird zwischen begleitetem und unbegleitetem Spielen unterschieden (Krammer, 2017; Schuler & Sturm, 2019). Beim begleiteten Spielen zielen die Impulse der Lernbegleitung darauf, „Kinder adaptiv herauszufordern und bei Überforderung zu unterstützen“ (Schuler & Sturm, 2019, S. 64). Um Kinder adaptiv herauszufordern, erfordert es ein Handeln der pädagogischen Fachkräfte, das auf die Herstellung einer Passung zwischen Lernangebot und individuellen Voraussetzungen der Lernenden abzielt. Dabei wird zwischen makro-adaptiven Maßnahmen auf der Planungsebene und mikro-adaptiven Maßnahmen in der Lehr-Lern-Situation unterschieden. Voraussetzung für mikro-adaptives Handeln ist die prozessbezogene Anpassung von Unterstützungsmaßnahmen innerhalb der Fachkraft-Kind-Interaktion (Hardy, Mannel & Meschede, 2020).

Nationale und internationale Studien betonen die Bedeutung qualitativ hochwertiger Kindertageseinrichtungen für die spätere schulische Entwicklung des Kindes (Mackowiak, Wadepohl & Beckerle, 2021). Befunde aktueller Untersuchungen zeigen jedoch, dass kognitiv-aktivierende und adaptive Unterstützungsmaßnahmen, Merkmale einer hohen Interaktionsqualität, in der Praxis kaum umgesetzt werden (Streit, 2017).

Methodisches Vorgehen

Das Promotionsprojekt befasst sich mit der Frage, wie sich die Interaktionsqualität von Fachkraft-Kind-Interaktionen in Regelspielsituationen beschreiben lässt und welche Lerngelegenheiten bei begleitetem Spielen und bei unbegleitetem Spielen entstehen. Im Rahmen einer Videostudie zum Einsatz mathematischer Regelspiele im letzten Kindergartenjahr wurden beide Unterstützungsmaßnahmen implementiert. Beim unbegleiteten Spielen wird das Material bereitgestellt und auf Rückfragen der Kinder eingegangen. Das begleitete Spielen wird gekennzeichnet durch eine adaptive Lernbegleitung in Form von Impulsen und Modellierungen mit dem Ziel der kognitiven Aktivierung. Im Rahmen des Promotionsprojektes werden die Videosequenzen zu neun verschiedenen Regelspielen ausgewertet. Das Vorgehen lässt sich als Kodierende Videobeobachtung beschreiben (Pauli, 2012).

Literaturverzeichnis

Gasteiger, H., Obersteiner, A. & Reiss, C. (2015). Formal and Informal Learning Environments: Using Games to Support Early Numeracy. In J. Torbeyns, E. Lehtinen & J. Elen (Eds.), Describing and Studying Domain-Specific Serious Games (Advances in Game-Based Learning, 1st ed., S. 231–250). Cham: Springer.

Grube, D., Schuchardt, K., Balke-Melcher, C., Goldammer, A. von, Piekny, J. & Mähler, C. (2015). Entwicklung numerischer Kompetenz im Kindergartenalter. Verläufe, interindividuelle Unterschiede und Einflüsse von Arbeitsgedächtnis und häuslicher Umwelt. In P. Cloos, K. Koch & C. Mähler (Hrsg.), Entwicklung und Förderung in der frühen Kindheit. Interdisziplinäre Perspektiven (1. Aufl.). Weinheim: Beltz Juventa.

Hardy, I., Mannel, S. & Meschede, N. (2020). Adaptive Lernumgebungen. In M. Kampshoff & C. Wiepcke (Hrsg.), Vielfalt in Schule und Unterricht. Konzepte und debatten im zeichen der (1. Auflage, S. 17–26). Stuttgart: Kohlhammer.

Krajewski, K., Nieding, G. & Schneider, W. (2008). Kurz- und langfristige Effekte mathematischer Frühförderung im Kindergarten durch das Programm „Mengen, zählen, Zahlen“. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie40(3), 135–146.

Krammer, K. (2017). Die Bedeutung der Lernbegleitung im Kindergarten und am Anfang der Grundschule. In S. Schuler, C. Streit & G. Wittmann (Hrsg.), Perspektiven mathematischer Bildung im Übergang vom Kindergarten zur Grundschule (S. 107–123).

Mackowiak, K., Wadepohl, H. & Beckerle, C. (Hrsg.). (2021). Interaktionen im Kita-Alltag gestalten. Grundlagen und Anregungen für die Praxis. Stuttgart: Kohlhammer.

Pauli, C. (2012). Kodierende Beobachtung. In H. d. Boer & S. Reh (Hrsg.), Beobachtung in der Schule - Beobachten lernen (S. 45–64). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Schuler, S. (2013). Mathematische Bildung im Kindergarten in formal offenen Situationen. Eine Untersuchung am Beispiel von Spielen zum Erwerb des Zahlbegriffs (Empirische Studien zur Didaktik der Mathematik, Bd. 15). Münster [u.a.]: Waxmann.

Schuler, S. & Sturm, N. (2019). Mathematische Aktivitäten von fünf- bis sechsjährigen Kindern beim Spielen mathematischer Spiele. Lerngelegenheiten bei direkten und indirekten Formen der Unterstützung. In D. Weltzien, H. Wadepohl, C. Schmude, H. Wedekind & A. Jegodtka (Hrsg.), Interaktionen und Settings in der frühen MINT-Bildung (Materialien zur Frühpädagogik, Band 23, S. 59–86). Freiburg im Breisgau: FEL Verlag Forschung-Entwicklung-Lehre.

Streit, C. (2017). Wie Lehrpersonen Kinder in materialbasierten Settings begleiten und mathematische Lernprozesse anregen. In S. Schuler, C. Streit & G. Wittmann (Hrsg.), Perspektiven mathematischer Bildung im Übergang vom Kindergarten zur Grundschule (S. 157–170).

Wullschleger, A. (2017). Individuell-adaptive Lernunterstützung im Kindergarten: Eine Videoanalyse zur spielintegrierten Förderung von Mengen-Zahlen-Kompetenzen (Empirische Studien zur Didaktik der Mathematik, Band 29). Münster [u.a.]: Waxmann.