Habilitationsprojekt Dr. Tim Lutz

Künstliche Intelligenz, Augmented Reality und Computer-Algebra-Systeme;

Entwicklung, Beforschung und OER Bereitstellung von Anwendungen für die Mathematikdidaktik

Offene Antwortformate automatisiert auswerten mit KI, AR und CAS-Systemen
Die automatisierte Auswertung von Aufgabenbearbeitungen hat Tradition in der Mathematikdidaktik (DAA Diagnostic Algebra Assessment, Smart Test Algebra). Mangels technischer Möglichkeiten waren solche automatisierten Aufgabenauswertungen lange beschränkt auf Single- und Multiple-Choice Aufgaben (z.B.  Dorsch Lexikon der Psychologie). Aufgabenauswertungen in diesen geschlossenen Antwortformaten finden nach wie vor häufig Verwendung in Studien (Lutz 2021c, Götz et al. 2018).

Sogenannte „offene“ Antwortformate ermöglichen Antwortszenarien, die nicht zwingend einer erwarteten Reihenfolge bzw. Eingabe folgen müssen.

Das Thema dieser Habilitation beschäftigt sich mit solchen offenen Aufgabenstellungen unterschiedlichster Art. Dabei sollen Konzepte für automatisierte Auswertung erprobt werden. Die Rolle und Verantwortung der Mathematikdidaktik bei digitalen Konzeptionen für den Mathematikunterricht soll, unter besonderer Berücksichtigung von KI, ausgelotet werden (Lutz 2021a).

Dieses Habilitationsvorhaben will untersuchen, an welchen Angriffspunkten die Mathematikdidaktik ansetzen kann, um ihrer Verantwortung in der Umsetzung digitaler Applikationen gerecht zu werden. Besonderer Fokus dabei liegt auf unmittelbarem, fachdidaktisch konzipiertem Feedback an die Aufgabenbearbeitenden. Dabei werden auch physische Handlungen als „offene Eingabe“ behandelt.

Unterschieden werden 2 Ausgangssituationen mit just-in-time Feedback:

  1. Situationen, bei denen die automatisierte Auswertung eine händisch erstellte Auswertung zu ersetzen sucht, um überhaupt Feedback zu ermöglichen in personell bedingten Situationen, in denen keine Ressourcen für einzelbetreute händische Auswertungen zur Verfügung stehen.
  2. Applikationen oder Anwendungen, die dem agierenden Nutzer noch während seiner ausführenden Handlung Rückmeldung in Form optischer und/oder akustischer Anzeigen liefern und das in einer Reaktionszeit, die nur ein Computer erreicht. 
    Beispielanwendung: zufallsdocu App: Link zur App, Link zum Praxisbeitrag):

Für das Habilitationsvorhaben verwendete Techniken:

- Die Software STACK als Werkzeug zur Erstellung offener algebraischer und geometrischer automatisiert auswertbarer Aufgaben mit vorkonzipierten Feedbackbäumen für erwartbar häufig auftretende Fehler 
Projekt aldiff (Dissertationsprojekt)
Pressemitteilung Projekt AuthOMath: Chris Sangwin, Tim Lutz Edinburgh, Gesamtprojektleitung Guido Pinkernell PH Heidelberg

Die Weiterentwicklung der Software STACK (Lutz 2021b) war bereits wichtiger Bestandteil für die Erstellung der Dissertation und wird im Moment aktuell weitergeführt vom Habilitierenden in einem Erasmusprojekt durch die Kooperation der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und der University of Edinburgh. Der Habilitierende wird dort zusätzlich als wissenschaftlicher Mitarbeiter geführt und entwickelt für das Projekt die Verknüpfung von STACK und GeoGebra zum Einsatz in randomisierten geometrisch interaktiven Einsatzszenarien (Lutz 2019).

- Augmented Reality und Machine Learning sind elementare Bestandteile zur Auswertung von Interaktionen von Aufgabenbearbeitenden mit physischen Materialien. Die Interaktion mit physischen Materialien wird dabei ebenfalls als „offene Eingabe“ behandelt und ist daher für das Habilitationsvorhaben von Interesse. (Veröffentlichung in Telekomband "Die Zukunft des MINT Lernens" , Link zu Beispielanwendungen)

- Machine Learning Textklassifikation
Der Habilitierende beschäftigt sich aktiv mit der Textklassifikation von Texteingaben in transkribierten bzw. digital erfassten mathematikhaltigen Aufgabenbearbeitungen, in Kooperation mit Dr. Christian Fahse, Landau. Datenbank (Lutz 2022c)

In Kooperation mit Frau Prof. Dr. Stephanie Schuler, Landau und Herrn Prof. Dr. Gerald Wittmann, Freiburg entwickelt der Habilitierende einen automatisiert auswertbaren Bildvignettentest.
Ermöglicht werden soll die Klassifizierung der von Probanden geschilderten Handlungsabsichten bei der Betrachtung von Bildvignetten zu Lehr-Lernsituationen am Übergang Kindergarten-Grundschule. Hierzu beforschen die Beteiligten Interventionsstrategien, die sich aus den Äußerungen der betrachtenden Studierenden analysieren ließen:
- laissez-faire Intervention: falsch verstandener Selbstbildungsansatz, gewähren lassen
- konstruktivistische Intervention
- instruktivistische Intervention
Die vom Habilitierenden entwickelte KI soll die Klassifikation von Antworten auf Bildvignetten zu den vorgenannten Interventionsstrategien trainieren, dabei eng begleitet durch mathematikdidaktische Forschung zur Qualitätskontrolle.
 

- Embodied Cognition digital unterstützen
Digital unterstützte Embodied Cognition umschreibt die Möglichkeit im Zusammenspiel mit Körperbewegung, mathematische Gegenstände „erfahrbar“ zu machen. Lernen wird so mit der Ebene der körperlichen Erfahrung verknüpft.
Beispielanwendung zur Förderung von Grundvorstellungen zu Funktionen: Anwendung „Funktionen laufen“ (Lutz 2022a, 2022b).

Literatur

Lutz, T. (2022a). Kamera an und loslegen. Funktionsgraphen erlaufen mit einer App. mathematik lehren, 231, April 2022.

Lutz, T. (2022b). Funktionenlaufen. digital unterrichten MATHEMATIK, April 2022. 

Lutz, T. (2022c). Machine-Learning Modelle zur automatisierten Textklassifikation von mathematischen Aufgabenbearbeitungen. In Frank Reinhold & Florian Schacht (Hrsg.) Digitales Lernen in Distanz und Präsenz: Herbsttagung 2021 des Arbeitskreises Mathematikunterricht und digitale Werkzeuge in der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik am 24.09.2021

Lutz, T. (2021a). Über die Macht der (KI-)Algorithmen Digital unterrichten MATHEMATIK Nr. 8/2021

Lutz, T. (2021b). Automatic evaluable test of the algebra knowledge of first-year students. In: Contributions to the International STACK conference 2021. Vortrag einsehbar unter: Hier klicken

Lutz, T. (2021c). Entwicklung eines Diagnoseinstrumentes und Vorbereitung eines Förderkonzeptes in der elementaren Algebra.

Lutz, T. (2019). GeoGebra and STACK. Creating tasks with randomized interactive objects with the GeoGebraSTACK_HelperTool. In: Contributions to the 1st International STACK conference 2018.

Lutz, T. (2018). GeoGebraSTACK_HelperTool. (Software zur Erstellung graphisch randomisierbarer und interaktiver STACK Aufgaben)

Götz, G., Düsi, C. & Lutz, T. (2018). Vom großen Fisch im kleinen Teich zum kleinen Fisch im großen Teich – Zur Entwicklung von Selbstwirksamkeit und des EVC-Modells in der Studieneingangsphase in WiMINT-Studiengängen. Beiträge zum Mathematikunterricht.